Der enorme Erfolg und der gute Ruf der Leica M3 schien das Leitz Management blind für die Gefahr gemacht zu haben, die durch die zunehmende Verbreitung der Spiegelreflexkamera drohte, besonders durch Nikon. Diese Kamera erfreute sich zunehmender Beliebtheit bei Pressefotografen, die bis dahin mit der Leica gearbeitet hatten. Als die erste Leicaflex 1964 erschien, war die Nikon F schon fünf Jahre auf dem Markt und hatte sich in Kreisen führender Fotografen den Ruf des robusten und zuverlässigen Handwerkszeugs erworben. Von 1965 an war der Photomic T erhältlich, was der Nikon F die TTL-Belichtungsmessung bescherte. Die Leicaflex hatte einen eingebauten Belichtungsmesser, ähnlich dem Leicameter MR für die M-Kameras, doch trotz der Kupplung erfolgte die Messung nicht durch das Objektiv.
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Von den Anfängen der 30er Jahre an hatte Leitz versucht, die Nachteile der Messsucherkamera im Nahbereich zu überwinden. Ab 1930 hatte man dies sogar für langbrennweitige Objektive durch den PLOOT Spiegelkasten geschafft. Dieser Spiegelkasten öffnete auch den Weg für einfacher zu transportierende und einzusetzende Nahaufnahmegeräte. Leitz hatte damit also tatsächlich bereits 1935 eine Spiegelreflexkamera im Programm, überließ es jedoch anderen, eine integrierte 35 mm Spiegelreflexkamera zu bauen.
Leica Spiegelreflexkamera – die Zeichen der Zeit
Nach der Vorstellung der Kine Exakta 1938 sah es so aus, als würden zwei Systeme parallel existieren: die 35 mm-Messucherkamera für schnelles, präzises Scharfeinstellen innerhalb eines eingeschränkten Fokussierbereiches, jedoch ideal für den Reportagefotografen, die Spiegelreflexkamera für den vielseitigeren Einsatz, dafür aber langsamer und schwieriger Scharfeinstellung mit dem Lichtschachtsucher.
Das Pentaprisma, gefolgt von der TTL-Belichtungsmessung, änderte dies grundlegend. Die SLR wurde vielseitiger und konnte obendrein fast alles, was die Leica auch konnte, vor allem in der Hand eines erfahrenen Fotografen.
In der entscheidenden Phase der späten 50er und frühen 60er Jahre schien es, als hätte Leitz die Führungsrolle verloren, die man über die Jahre mit der Vormachtstellung der M-Leica gehabt hatte. Nachdem diese Position einmal verloren war, konnte Leitz nie wieder mit der Innovation der Japaner Schritt halten. Der Beitrag von Leitz zur Entwicklung von Spiegelreflexkameras waren die brillanten, hellen Einstellscheiben und das Vorantreiben selektiver Belichtungsmessung und Spotmessung, lange bevor jemand anders daran dachte. Der Hauptgrund dafür jedoch, daß Leica Spiegelreflexkameras sowohl bei Profifotografen als auch bei ernsthaften Amateuren großen Anklang finden, liegt in der weichen, geschmeidigen und leisen mechanischen Funktion und den hervorragenden Objektiven.
Die Leicaflex wird vorgestellt
Als die Leicaflex vorgestellt wurde, war dies natürlich eine ausgezeichnete Kamera, sie stieß jedoch nicht auf das Interesse, das sie einige Jahre früher hervorgerufen hätte. Sie besaß das Reflexsystem des Visoflex III, ein Hebel vorn an der Kamera mit drei Stellungen erlaubt die Wahl zwischen drei Spiegelfunktionen. Hebel nach oben bedeutete sofortige Rückkehr des Spiegels, Hebel in waagerechter Stellung ließ den Spiegel oben, der durch Hochstellen des Hebels wieder herunterklappte und Hebel nach unten arretierte den Spiegel vor der Aufnahme in hochgeklapptem Zustand. Eine Spiegelvorauslösung gab es erst wieder bei der Leica R6,20 Jahre nach Einstellung der Leicaflex-Produktion.
TTL-Belichtungsmessung – etwas völlig Neues
TTL-Belichtungsmessung folgte 1968, wieder zu spät, in Form der Leicaflex SL und in weiterer Verbesserung 1974 mit der Leicaflex SL2. Diese Kameras jedoch brachten ein Feature mit sich, das einen immer wesentlichen Vorteil von Leica Spiegelreflexkameras ausmachte: Die Spotmessung, die von Mitbewerbern einige Jahre lang nicht geboten wurde. Integralmessung gab es nicht. Das Meßsystem der SL2 war viermal so empfindlich wie das der SL, außerdem bot die Kamera einen Schnittbild-Entfernungsmesser als Fokussierhilfe zusätzlich zu dem Mikroprismenring der SL. Die SL2 genießt bei vielen Fotografen einen mit dem M3 vergleichbaren Ruf. Die Leicaflex-Modelle boten halbautomatische Belichtung mit dennoch völliger Kontrolle durch erfahrene Fotografen.
Doch Kameras von Canon, Minolta, Nikon und Pentax mit Zeit- und Blendenautomatik eroberten einen Markt, der einmal Leitz gehört hatte. Hinzu kam, daß Leitz-Kameras in der Herstellung viel teurer waren, es gab zu viele verschiedene Modelle und weitere waren angekündigt – die Leica 110 und es war nicht genug Kapital vorhanden, um diese alle richtig zu entwickeln.
Die Leicaflex SL2 war extrem teuer in der Herstellung
Die Leicaflex SL2, deren Herstellungspreis höher lag als der Abgabepreis an den Handel, war ein Beispiel dafür. Für die nächste Generation ihrer Spiegelreflexkameras ging Leitz nach Japan. Die Vereinbarung mit Minolta brachte den Zugriff auf die notwendige Technologie für die erste eigene Kamera mit Belichtungsautomatik, die Leica R3, die Herstellung im portugiesischen Werk reduzierte die Kosten. Den Namen Leicaflex ließ man fallen, die Leica R-Modellreihe nahm ihren Anfang. Der Verschluß der Leica R3 war elektronisch gesteuert mit stufenlosen Zeiten zwischen 4 und Xooo Sek., die Lamellen liefen senkrecht ab. Der neue Verschluß war eine gemeinsame Entwicklung von Leitz und Copal (Seiko)/Japan, die diesen lieferte. Das Meßsystem bot Zeitautomatik oder manuelle Einstellung.
Die Leitz Spotmessung, markiert durch den Mikroprismenring im Sucher, behielt man bei, zum ersten Mal jedoch gab es auch eine Integralmessung. Dies erreichte man durch Kopplung der CdS-Zelle für die Spotmessung im Kameraboden mit zwei Meßzellen im Prisma. Die Messung war sehr genau und wurde durch eine Nadel im Sucher angezeigt. Die R3 ist schwer, zumindest für mein Empfinden ziemlich häßlich, jedoch mechanisch robust und eine ausgezeichnete Kamera, solange die Elektronik funktioniert. Viele davon sind noch im Gebrauch, und durch die recht günstigen Preise bildet diese Kamera einen preiswerten Einstieg in die Leica Spiegelreflex-Fotografie.
Die Leica R-Kameras
Die heutige Form der Leica R-Kameras wurde 1980 mit der Leica R4 eingeführt. Die Gehäuseform und das geringe Gewicht sind ein Genuss, völlig anders als bei der Leica R3. Es ist die erste Leica SLR mit und Zeit-, und Blenden- und Programmautomatik, wieder basierend auf Minolta-Technologie. Die drei Messzellen der R3 wurden durch eine einzige Siliziumzelle im Kameraboden ersetzt. Der Hauptspiegel ist zu 30% lichtdurchlässig, dieser Lichtanteil fällt auf einen Fresnel-Reflektor, der das Licht zur Photodiode lenkt. Präziser Wechsel zwischen selektiver und integraler Belichtungsmessung wird durch einen Schieber über der Photodiode gewährleistet Die elektronischen Schaltkreise dafür wurden von Ferranti/England entwickelt. Die Anzeige der Belichtung erfolgt nun über Leuchtdioden.
Die andere Neuerung war die Austauschbarkeit der Einstellscheiben, die Leitz bis dahin abgelehnt hatte, weil das Problem des Eindringens von Staub bestand. Die R4 führte die Grundkonstruktion für alle folgenden R-Kameras ein. Bei diesen Modellen besteht das Gehäuse aus Aluminium-Druckguss, einer 1 mm dicken Deckkappe aus Zink-Druckguss und einer Bodenplatte aus Messing. Der teildurchlässige Spiegel läßt 30% des Lichts auf die Photodiode des Messsystems fallen, den Rest auf die Einstellscheibe. Der Spiegel besitzt insgesamt 17 dichroitische Beschichtungen, die der R-Serie eine der hellsten Einstellscheiben bescheren.
Die Leica R5 brachte den Leica-Fotografen die TTL-Blitzmessung
Auch der Sucher wurde entscheidend verbessert, indem man die Austrittspupille weit nach hinten vor das Okular verlegte, so daß selbst Brillenträger den gesamten Sucher mit allen Anzeigen überblicken können, die außerdem nicht mehr innerhalb des Bildausschnitts liegen.Analog zu der früheren Leitz Politik wurden leicht vereinfachte und preiswertere Varianten dieser Modelle auf den Markt gebracht. Dazu gehören die Reduzierung der Belichtungsprogramme, was sowohl Profis als auch Hobbyfotografen anspricht. So leiten sich die Leica R4-S und ihre verbesserte Ausführung R4-S Mod. 2 (Leica R4~S Mod. P in Nordamerika) von der R4 ab, die jüngste Leica R-E von der R5.
Die große Überraschung mit der Rückkehr zu einer mechanischen Kamera kam 1988 mit der Leica R6. Sie wurde im Werk der gerade neugegründeten Leica Kameragruppe in Solms gefertigt. Die Leica R6 arbeitet völlig batterieunabhängig, mit Ausnahme der TTL-Belichtungsmessung, die ähnlich der der Leica M6 funktioniert. So hatte Leica damit zwei einzigartige Kameras im Programm, die M6 und die R6, auf denen man aufbauen konnte, Profis wieder für neu für Leica-Kameras zu gewinnen. Die R6 ist kürzlich durch ein verbessertes Modell ersetzt worden, die Leica R6-2, die eine kürzeste Verschlußzeit von ‚Am Sek. bietet.
Motorisierte Versionen der Leicaflex existieren, doch die Leicaflex SL mot und die Leicaflex SL2 mot sind Varianten der Serienmodelle mit zusätzlichen Antriebswellen und Verbindungselementen zu einem ziemlich unförmigen Motor. Innerhalb ihrer Produktionsreihe wurde aus der Leica R3 die Leica R3 mot, vorbereitet für den Ansatz eines Winders mit maximal 2 B/Sek. Die Leica R4 und alle späteren Modelle sind serienmäßig für den Anschluß eines Winders mit 2 B/Sek. und eines Motors mit 4 B/Sek. vorbereitet.
Quellen, Literatur und Verweise
- Leica Sammler Buch
Bildnachweis:
- HKB